Bauplan fertig: So geht es am Bürgerbahnhof Plagwitz weiter
Auch um die Zukunft der Bürgerprojekte auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz geht es in einem Bebauungsplan-Entwurf, den die Stadt Leipzig soeben vorgelegt hat. Demnach dürfen neben dem Bauspielplatz „Wilder Westen“, dem Hildegarten, „Heiter bis wolkig“ und Annalinde-Obstgarten nur noch zwei Gebäude entstehen.
Es ist ein etwas merkwürdiger Vorgang, der sich nur aus der besonderen Geschichte des einstmals größten Industrie-Verladebahnhofs in Europa erklären lässt. Die Stadt Leipzig hat jetzt einen Bebauungsplan für eine Fläche von 4,5 Hektar in Plagwitz fertiggestellt. Dabei ist jenes Gelände, das von der vier Meter hohen Riesenschaukel unweit der Naumburger Straße bis zum Hildegarten im Süden reicht, schon fast fertig bebaut und gestaltet.
In aller Regel erarbeiten Kommunen Bebauungspläne, damit anschließend auf einem Gelände etwas Neues entstehen kann. Bei diesem Plan mit der Nummer 380.1 und dem Namen „Grüner Bahnhof Plagwitz Nordteil/Ost“ liegt die Sache jedoch anders. Hier hat die Stadt sich die Mühe vor allem deshalb gemacht, damit alles so bleibt, wie es ist – und zwar im Wesentlichen schön grün.
Riesenschaukel und Boulderfelsen am „Nordkopf“
Von den 4,5 Hektar dient mehr als die Hälfte – nämlich 2,73 Hektar – als öffentliche Grünflächen. Dazu zählt die Stadt auch die Bereiche für Bürgerprojekte wie den Bauspielplatz „Wilder Westen“, den Hildegarten, das Open-air-Café „Heiter bis wolkig“ oder den Annalinde-Obstgarten. Hinzu kommen noch private Grünflächen auf 1700 Quadratmetern: Hauptsächlich sind das die Gärten von 22 Reihenhäusern und Wohnungen an der Röckener Straße. Diese hatte die Leipziger Firma Atrium Bauprojekte vor reichlich zehn Jahren aus einem uralten Güterabfertigungs- und Zollgebäude gezaubert.
Seinerzeit begann auch die Umgestaltung des ganzen, um 1900 entstandenen Industrie-Verladebahnhofs. Er war 21 Hektar groß, hatte nach dem Ende der DDR aber keine Funktion mehr. Ab 2013 formte die Stadt zunächst den „Nordkopf“ an der Naumburger Straße neu, baute dort nach Entwürfen des Leipziger Büros Spielraumplanung eine Riesenschaukel und Boulderfelsen auf. Mit Fördermitteln der EU wurde das schwer belastete Gleisschottergemisch durch Mutterboden ersetzt und ein „Prärie-Garten“ zum Herumtoben geschaffen. Während der Arbeiten am „Nordkopf“ mussten mehr als 100 Zauneidechsen umziehen, durften aber anschließend wieder zurück.
8000 Quadratmeter legt der neue Plan nun als Mischgebiet (für den Nordkopf und die Wohnhäuser) fest. Weitere 8000 Quadratmeter werden als Verkehrsflächen erfasst: Da geht es um Fuß- und Radwege sowie einen Wirtschaftsweg, die in den letzten Jahren entstanden sind. Sie liegen meist in Nord-Süd-Richtung, was genau der Form des sehr schmalen, aber lang gestreckten Gebietes an der früheren Ladestraße Ost entspricht.
Das 172 Seiten umfassende Dokument soll lediglich absichern, dass sich an den Grün- und Freiräumen vor Ort nichts Wesentliches mehr ändert, erläuterte das Stadtplanungsamt. Weil sich die Fläche gleich neben historischen Häusern (im sogenannten „Innenbereich“ eines Stadtviertels) befindet, seien klare Festlegungen in einem rechtskräftigen Bebauungsplan notwendig, um eventuell in Zukunft auftretende Bauwünsche von Flächeneigentümern abwehren zu können. Ohne den Plan hätten diese eventuell Anspruch auf Baurecht gemäß Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Dann müssten sie nur nachweisen, dass sich ihr Projekt nach Nutzungsart und Größe in die Umgebung einfügt.
Ausnahmen für künftige Projekthäuser
Stattdessen werden zusätzliche Bauten jetzt nur noch als Ausnahme gestattet. Dabei geht es um zwei sogenannte Projekthäuser, die gleich neben den Bürgerprojekten im Süden zulässig wären. Sie sollen jeweils nur ein Vollgeschoss plus eventuell ein Dachgeschoss erhalten, Grundflächen von 54 sowie 108 Quadratmetern haben. Diese Größen seien in einem Kaufvertrag mit der Deutschen Bahn AG (DB) als früherer Flächeneigentümerin festgelegt worden. Beide Gebäude könnten für Vereinsräume, Veranstaltungen und Schülerprojekte, als Lager oder Café genutzt werden. Auch ein gemeinsames Dach sei denkbar. Zur konkreten Planung und Finanzierung müssten sich die Bürgerprojekte verständigen, hieß es weiter. Als Standort ist eine Ecke an der Ladestraße Ost auserkoren – innerhalb der öffentlichen Grünfläche.
Außerdem wird den Bürgerprojekten erlaubt, auf ihren Flächen in geringem Umfang wetterfeste Anlagen zu schaffen, die der Freiflächennutzung dienen. Das könnten zum Beispiel Materialschuppen, Bauwagen oder auch ein Freiluftofen sein. Insgesamt dürfen solche Anlagen aber nur maximal zehn Prozent der Fläche in Anspruch nehmen. Ansonsten enthält der Bebauungsplan noch Vorschriften etwa zur Einfriedung von Gärten, wobei vorhandene Tore Bestandsschutz genießen.
Wenn der Stadtrat die 172 Seiten in einer seiner nächsten Sitzungen beschließt, bleibt nur noch ein relativ kleiner Teil vom früheren Verladebahnhof ohne gültigen Bebauungsplan. Den größten Teil der ehedem 21 Hektar hatte die DB ab dem Jahr 2014 an die Stadt Leipzig verkauft. Nach jüngsten Angaben aus dem Rathaus bezahlte die Stadt in fünf Kaufverträgen für insgesamt 13 Hektar Land, die heute südlich und nördlich der Antonienbrücke öffentlich nutzbar sind, 741.000 Euro. Das entspricht durchschnittlich 5,80 Euro pro Quadratmeter. Unter anderem entstand im Anschluss ein etwa sieben Hektar großer Stadtwald rings um die Brücke sowie viele weitere Grünflächen, ebenfalls die „Schule am grünen Gleis“.
Bürger-Workshops bis zum Sommer
Nach Angaben der Kommune hatte sich die Bahn in den Vereinbarungen ausbedungen, einige Flächen wirtschaftlich verwerten zu dürfen. Das betraf vor allem ein 2,3 Hektar großes Teilstück an der früheren Ladestraße West. Diese Fläche liegt direkt neben dem Gelände, für das nun der Bebauungsplan fertig ist. Ursprünglich sollten beide Flächen einen gemeinsamen Bebauungsplan erhalten.
In einer Bürgerbeteiligung im Jahr 2022 trafen jedoch über 900 Stellungnahmen zu diesem Thema ein. Es war die größte Resonanz, die bisher jemals ein Bebauungsplanentwurf in Leipzig erzeugen konnte. Viele Stimmen äußerten sich kritisch zu den Bebauungsplänen für das etwas kleinere Areal an der Ladestraße West, das die Bahn inzwischen an den Leipziger Projektentwickler Lewo AG verkauft hatte. Daher griff das Stadtplanungsamt schließlich einen Vorschlag der Fraktion Die Linke auf und teilte den Bereich im Norden in zwei Bebauungspläne auf.
Die Planung für den stark umstrittenen Teilbereich Nummer 380.2 „Grüner Bahnhof Plagwitz Nordteil/West“ steht noch weitgehend am Anfang. Seit September 2023 läuft zu diesem Bereich ein Workshop-Verfahren mit Anwohnern, Vereinen und der Lewo AG. „Der Beteiligungsprozess für diesen Teil wird derzeit in moderierten Formaten fortgesetzt und soll bis zur Sommerpause abgeschlossen sein“, so das Stadtplanungsamt.